Auf "Nummer sicher" ist nicht mehr sicher

„sichere“ Geldanlage

Es war einmal… So würde das Märchen über glückliche Sparer:innen anfangen. Aber dieses Märchen gibt es nicht mehr. Es gibt zwar wieder Zinsen, aber das hilft uns nicht wirklich weiter.

Märchen gehören in die Zeit unserer Kindheit. Auskömmliche Zinsen leider auch. Die Zeiten, in denen sich das Ersparte innerhalb weniger Jahre wie von selbst verdoppelte, sind lange vorbei. 70 Jahre dauert es, bis sich Dein Geld bei einer Rendite von 1 Prozent pro Jahr verdoppelt. Immer noch 35 Jahre sind es bei einem Zins von 2 Prozent. Und wer stolze 4 Prozent bekommt, muss sich immer noch 18 Jahre gedulden. Aber wer bekommt schon noch 4 Prozent Zinsen? Es sind die Wenigsten.

Welches Konto kann was und wofür eignet es sich am besten? Hier mehr zu den Kontenarten erfahren.

Natürlich ist Sparen noch immer eine feine Sache. Aber das Geld einfach auf dem Sparbuch, Tagesgeldkonto oder gar Girokonto rumliegen zu lassen, ist keine gute Idee mehr. Im Gegenteil!

Liegt die Inflation nämlich über der erzielten Rendite, verliert das Geld an Kaufkraft. Expert:innen nennen das den negativen Realzins. Bei einer Inflation von mehr als 5 Prozent im Sommer 2023 trifft es Sparende besonders hart. Wenn Du nämlich die Inflation von Deiner erwarteten Rendite abziehst, kommst Du zum Realzins. Und der ist seit Monaten deutlich negativ; und das, obwohl die Zinsen zuletzt stark gestiegen sind. Aber die Inflation ist eben auch sehr hoch. Und so kommt es, dass der Realzins negativer ist als zu Zeiten von Null- und Negativzinsen. Verrückt, aber so ist es.

Wer ausschließlich auf Sicherheit setzt, darf sich nicht wundern, wenn das Vermögen nicht wächst. Langfristig verlieren wir sogar Geld. Deine Kaufkraft schwindet – Jahr für Jahr –, wenn Du nur auf Sparanlagen setzt. Diese sichere Geldanlage ist längst nicht mehr sicher. Im Gegenteil. Sie macht Dich ärmer.

Jessica Schwarzer

Was also tun? Woher soll die Rendite kommen? Wie viel Rendite braucht es überhaupt? Wie wäre es mit vier Prozent pro Jahr, real natürlich? Bei einer solchen Rendite dauert es schließlich „nur“ 18 Jahre, bis sich das angelegte Geld verdoppelt. Wenn Du eine auskömmliche Rendite erzielen willst, Dein Erspartes oder besser: Dein angelegtes Geld in absehbarer Zeit verdoppeln willst, dann muss Du stärker ins Risiko gehen.

Und damit sind wir auch schon beim Problem: Risiko. Bei der Geldanlage sind die Deutschen enorm risikoscheu. Sie scheuen Kursschwankungen wie bei Aktien, sie meiden jegliches Verlustrisiko und deshalb auch Aktien. Wenn das bei Dir genauso ist, bist Du also nicht alleine. Wir müssen vor dem Risiko aber gar keine Angst haben. Natürlich sind Aktien riskanter als Anleihen, das ist unbestritten. Sie schwanken, es gibt keinen Tag X, an dem wir unser investiertes Kapitel zu 100 Prozent zurückbekommen. Verluste sind jederzeit möglich. Gewinne aber natürlich auch. Denn Risiko kann auch ein Ereignis mit positiver Auswirkung sein. Dann bedeutet Risiko die Chance auf Kursgewinne.

Doch wir denken nur an die Verluste, das ist menschlich. Wir wollen einfach kein unnötiges Risiko eingehen. Doch kommt der Faktor Zeit ins Spiel, sinkt das Risiko gen null. An der Börse zählt nämlich neben der Risikostreuung über viele Einzeltitel, Branchen und Regionen – im Börsendeutsch Diversifikation – vor allem der Faktor Zeit. Je länger ein:e Anleger:in investiert ist, desto geringer das Risiko, Geld zu verlieren. Und desto höher die Chance, eine stattliche Rendite einzufahren.

Langfristig sind Aktien nicht zu schlagen

Wie hoch die Chancen im Laufe der Zeit werden, zeigt das Rendite-Dreieck des Deutschen Aktieninstituts. Es zeigt sehr anschaulich, dass die kurzfristig oft dramatischen Verluste an der Börse langfristig kaum noch zählen. Und gerade dieser langfristige Blick ist wichtig.

Der Deutsche Aktienindex (DAX), in dem die größten börsennotierten deutschen Unternehmen gelistet sind, weist ab einer Haltedauer von zwölf Jahren keine Verluste mehr auf. Das Risiko ist verschwunden.

Aber es kommt noch besser: Das Rendite-Dreieck zeigt nämlich die Kurs- und Dividendenentwicklung des Dax über beliebige Zeiträume von bis zu 50 Jahren; und die kann sich wirklich sehen lassen. Wer beispielsweise über einen Zeitraum von 20 Jahren in Dax-Aktien investiert hätte, konnte sich über eine durchschnittliche Rendite von 8,6 Prozent im Jahr freuen. Im schlechtesten Fall lag die jährliche Rendite bei 3,3 Prozent, im besten bei 15,2 Prozent. Kosten für den Kauf und Verkauf wurden nicht berücksichtigt, belasten die Rendite bei einem so langen Anlagezeitraum aber auch nur minimal.

Aktien sind langfristig die renditestärkste Anlageklasse überhaupt. Das hat sogar die Bundesbank höchstamtlich in einem ihrer Monatsberichte festgestellt. Aber natürlich sollst Du nicht Dein ganzes Vermögen in Aktien investieren. Aber ein größerer Anteil sollte es schon sein, schließlich wollen wir unser Geld ja verdoppeln.

Sehr vorsichtigen, also konservativen Anleger:innen empfehle ich in meinen Büchern 30 Prozent ihres Vermögens in Aktien zu stecken. Das mag viel klingen, aber in Zeiten von Nullzinsen sind Aktien alternativlos, wenn wir kein Geld verlieren wollen. Ausgewogene Anleger:innen, die etwas mutiger sind und auch größere Rücksetzer gut verkraften können, dürfen den Aktienanteil auf 50 Prozent hochschrauben. Wer wie ich überzeugte Börsianerin ist, das Risiko nicht scheut und sehr, sehr langfristig investiert, kann bis zu 80 Prozent an der Börse anlegen.

Halten wir also fest: Vermeintlich sichere Anlagen kosten uns Geld, gehen wir ein bisschen mehr ins Risiko, steigt auch unsere Rendite. Natürlich sind Aktien riskanter als Anleihen, aber das Risiko sinkt langfristig. Also nur Mut! Er wird sich auszahlen.

Jessica Schwarzer
Jessica Schwarzer
Journalistin und Börsenexpertin

Jessica Schwarzer ist Autorin für das finanz-heldinnen Magazin und eine der renommiertesten Finanzjournalistinnen Deutschlands. Ihre Leidenschaft für die Börse hat die gebürtige Düsseldorferin zum Beruf gemacht. Die langjährige Chefkorrespondentin und Börsenexpertin des Handelsblatts (2008 bis 2018) arbeitet heute selbstständig als Journalistin und Moderatorin. Sie hat mehrere Bücher über die Psychologie von Anlegern und Investmentstrategien geschrieben. Die deutsche Aktienkultur ist ihr eine Herzensangelegenheit, für die sie sich auch mit Vorträgen und Seminaren stark macht. Darüber hinaus schreibt sie eine wöchentliche Kolumne bei onvista.de, einem der meistbesuchten Finanzportale in Deutschland.