"Bei der Geldanlage reicht es, ein paar Basics zu verstehen"

Junge Frau informiert sich über die Basics der Geldanlage

Ein paar ganz einfache Regeln führen an der Börse zum Erfolg, sagt Dirk Rathjen vom Institut für Vermögensaufbau im Gespräch mit Jessica Schwarzer. Einige, leider weit verbreitete Fehler, sollten wir aber unbedingt verhindern.

Dirk Rathjen weiß, wie es in deutschen Depots aussieht: ein ziemliches Sammelsurium, wild zusammengewürfelte Produkte, keine Strategie. Als Mitinhaber des Instituts für Vermögensaufbau (IVA) weiß er aber natürlich auch, wie es besser geht. Immerhin hat er 20 Jahre Erfahrung in der Investmentbranche gesammelt, bevor er vor gut einem Jahr beim IVA einstieg. Er selbst hat sich immer an ein paar einfache Börsenregeln gehalten, mit Erfolg. Seine Botschaft: Geldanlage ist viel einfacher, als wir denken.

Jessica Schwarzer: Geldanlage ist für viele ein Buch mit sieben Siegeln. Wie kompliziert ist Vermögensaufbau wirklich?

Dirk Rathjen: Wie bei fast allen Dingen im Leben sind die Grundzüge einfach, aber die Menge an Details ist grenzenlos. Um Geld vernünftig anzulegen, reicht es aber tatsächlich, ein paar Basics zu verstehen. In die Tiefe muss man nicht einsteigen. Dafür gibt es Profis wie beispielsweise Fondsmanager und natürlich auch Fondsmanagerinnen.

Jessica Schwarzer: Geldanlage ist also viel weniger kompliziert als wir oft denken?

Dirk Rathjen: So ist es. Wir konzentrieren uns nur oft auf die falschen Dinge. Wenn ich mir einen Wald anschaue, denke ich mir: so viele Bäume. Wenn mir jemand sagt, geh mal diesen Weg lang, dann habe ich zwar den Wald nicht verstanden, aber das brauche ich auch überhaupt nicht. Ich gehe den Weg entlang, ohne so sehr ins Detail zu gehen und jeden Baum beim Namen nennen zu können. Wer monatlich beispielsweise 100 Euro in einen globalen Aktienfonds investiert, ist schon mal gut bedient. Das ist ein guter Weg, wenn er zum Risikoprofil der Anlegerin passt. Komplizierter muss es gar nicht sein, ich muss auch nicht alles über Aktien wissen.

Jessica Schwarzer: Als Börsen-Neuling fragt man sich natürlich: Wo soll ich investieren? Was gehört in ein ausgewogenes Depot?

Dirk Rathjen: Gute Fragen. Man muss bei der Beantwortung bedenken, dass wir Menschen dazu tendieren, unser Geld in verschiedene Töpfe einzuteilen. Dabei geht der Gesamtüberblick leider verloren. Also bitte nicht hingehen und sagen: Ich habe 10.000 Euro auf dem Sparbuch, 20.000 Euro in Bundesanleihen, dann noch einen offenen Immobilienfonds aus irgendeiner komischen Aktion meiner Bank von vor 17 Jahren und jetzt soll noch ein ausgewogenes Depot dazukommen. Immer das große Ganze betrachten. Bei vielen Sparern, die eigentlich ein ausgewogenes Depot brauchen, weil es mit Blick auf Zeithorizont und Risikoappetit zu ihnen passt, reicht es nämlich oft, einen Aktienfonds zuzukaufen. Sicherheitsorientierte Anlagen wie Sparbücher haben sie nämlich bereits. Und schon ist das Gesamtvermögen so ausgewogen investiert, wie es sein sollte.

Jessica Schwarzer: Und wenn ich gerade erst anfange mit der Geldanlage und wirklich nur 20.000 Euro auf irgendeinem Sparkonto liegen?

Dirk Rathjen: Wer gerade erst anfängt und einen mittleren Zeithorizont von fünf bis zehn Jahren und ein mittleres Risikoprofil hat, der sollte auf jeden Fall auf Aktien setzen, aber sicherlich einen Teil des Geldes auch defensiv investieren. Da ist die Auswahl im Moment ziemlich eng, weil es keine Zinsen mehr gibt. Diesen Anteil des Vermögens kann man eigentlich auch auf dem Sparkonto liegen lassen.

Jessica Schwarzer: Wie sieht denn eine gute Mischung aus?

Dirk Rathjen: Ausgewogen bedeutet in der Regel 50/50, also jeweils die Hälfte in Aktien und Anleihen oder eben Spareinlagen zu investieren. Am einfachsten ist es natürlich, einen Mischfonds zu kaufen. Je nach Risikoneigung kann die Aktienquote dabei natürlich auch niedriger gewählt werden. Vorsichtige Anleger*innen wählen vielleicht nur eine Aktienquote von 20 Prozent. Chancenorientierte Anleger*innen gehen mit einer höheren Aktienquote bewusst stärker ins Risiko und haben höhere Renditechancen.

Jessica Schwarzer: Wie finde ich einen solchen Fonds?

Dirk Rathjen: Direktbanken bieten Bestseller-Listen, an denen man sich orientieren kann. Da gibt es dann zwei Sorten von Fonds: aktive und passive. Aktiv gemanagt heißt, dass Profis die Auswahl der Aktien und Anleihen übernehmen; in der Hoffnung, besser abzuschneiden als der Markt. Passive Fonds, also ETFs bilden einen Index ab oder bei gemischten Produkten eben mehrere. Wer nicht auf Fondsmanager vertrauen will und lieber eng am Markt investiert, wählt die kostengünstigeren ETFs.

Jessica Schwarzer: Welche Grundregeln muss ich beim Vermögensaufbau mit Aktien beachten?

Dirk Rathjen: Zwei Dinge sind ganz besonders wichtig. Erstens: die Risikostreuung, auf Neudeutsch Diversifikation. Eine Aktie ist eine Unternehmensbeteiligung. Jedes Unternehmen kann Leichen im Keller haben, böse Überraschungen wie einen Dieselskandal, Geldwäsche-Prozesse oder eine Glyphosat-Klagewelle. Jede Aktie birgt Risiken. Kaufe ich aber einen Fonds oder einen ETF, streue ich das Risiko über sehr, sehr viele Unternehmen. Und ich muss mich um nichts mehr kümmern. Das erlediget der Fondsmanager – von der Aktienauswahl bis zur Wiederanlage der Dividende.

Jessica Schwarzer: Apropos Diversifikation: Lieber Einzeltitel oder lieber Fonds und ETFs?

Dirk Rathjen: Lieber Fonds- und ETFs. Einzeltitel sind für viele ein schönes Hobby, für viele auch Zockerei. Bei der langfristigen Anlage sollte man aber auf Fonds und ETFs setzen.

Jessica Schwarzer: Und die zweite Grundregel?

Dirk Rathjen: Zweitens: eine lange Haltedauer. Aktien sind, wie schon gesagt, Unternehmensbeteiligungen. Unternehmer denken langfristig und deshalb punkten auch Aktien eher langfristig. Kurzfristig kann es ganz schön ruckeln. Kurzfristig sind Aktien Spekulationsobjekte, deren Kurse mal in die eine und mal in die andere Richtung getrieben werden. Langfristig sind sie richtig gute Investitionen. Auf dunkle Wolken folgt schnell wieder Sonnenschein. Man muss nur die Nerven bewahren. Selbst heftige Einbrüche wie in der Finanzkrise 2008 haben langfristig kaum geschadet. Wenn man Regel Nummer eins befolgt: die Risikostreuung.

Jessica Schwarzer: Aktien gelten aber als gefährlich …

Dirk Rathjen: Das erzählen vor allem Menschen, die an der Börse Geld verloren haben. Das passiert aber nicht, weil Aktien gefährlich sind, sondern weil sie unsachgemäß angewendet werden. Das ist wie mit einer Kreissäge. Mit ihr haben sich auch schon sehr, sehr viele Menschen den Finger abgeschnitten. Aber nicht, weil die Kreissäge zu gefährlich wäre. Ihr Blatt dreht einfach nur seine Runden. Wird sie aber falsch angewendet … Wer sein Aktieninvestment diversifiziert und lange hält, muss sich nicht irre machen lassen. Die Kreissäge schneidet einfach nur ins Holz, nicht in den Finger.

Jessica Schwarzer: Was halten Sie von Fonds- und ETF-Sparplänen?

Dirk Rathjen: Das ist eine super Sache. Alles läuft automatisch, ich spare regelmäßig eine feste Summe und ich kaufe zu niedrigen Kursen mehr Anteile und zu höheren Kursen weniger. Das ist optimal. Die Einmaleinlage ist schwierig. Erwische ich den falschen Zeitraum, kann ich schnell ins Minus rutschen. Niemand weiß schließlich, wann Aktien fallen oder steigen.

Jessica Schwarzer: Welchen Tipp geben Sie absoluten Börsen-Neulingen mit auf den Weg?

Dirk Rathjen: Fangen Sie einfach an. Setzen Sie auf Fonds und ETFs und legen Sie sehr langfristig an. Und ganz wichtig: Behalten Sie bei Kurseinbrüchen die Nerven. Lassen Sie sich nicht beirren, nicht von irgendwelchen Horrorgeschichten über Verluste und auch nicht von reißerischen Schlagzeilen.

Jessica Schwarzer: Vielen Dank, Herr Rathjen.