Die Kunst, Wohlstand zu genießen

Geld genießen

Geld ist für die meisten Menschen die treibende Kraft, um arbeiten zu gehen. Leider haben wir einige falsche Annahmen darüber, was es uns bringt, so dass es geradezu paradox ist, dass wir gewaltige Anstrengungen unternehmen für etwas, was nicht hält, was es verspricht. Welche Annahmen das sind und wie wir diesen begegnen können, erklärt Dipl. Psychologin Ilona Bürgel.

Hinter dem Interesse an Geld verbirgt sich die Hoffnung, dass wir, indem wir es investieren, z. B. in dieser Hose unwiderstehlich aussehen, in dieser Wohnung unseren Stil zeigen, ein höheres Gehalt uns mehr Bedeutung bringt. Wir sollten wissen, das ist eine nur kurzfristig funktionierende Hoffnung, eher sogar eine Illusion. Hinzu kommt, dass wir uns, um Geld zu erlangen, permanent überfordern. Gerade wir Frauen arbeiten mehr und härter, wollen unabhängig sein und alles allein schaffen. Was dabei auf der Strecke bleibt sind Lebensfreude und Genuss.

Immer mehr Bücher widmen sich der Frage, wie und warum uns unsere Arbeit stresst und krankmacht, warum wir die kostbarsten Jahre unseres Lebens im Arbeitskampf opfern und hoffen, die letzten Jahre dann glücklich zu sein. So als ob „die Arbeit“, „der Chef:in“, „die Umstände“ mit uns etwas tun, was wir nicht wollen. Wir übersehen dabei, dass jede Medaille zwei Seiten hat. Dass unsere Erwartungen, Hoffnungen, Motive und Reaktionen bestimmen, wie Umstände auf uns wirken können. Und dass die neuste Forschung ganz klar zeigt, dass Umstände nur etwa zu 10 % unser subjektives Wohlbefinden bestimmen.

Geld verstehen heißt sich verstehen – die vier Irrtümer

Lasst uns deshalb einen Blick hinter die Kulissen unserer Annahmen über Geld werfen und die wichtigsten Genussfeinde und Irrtümer erkennen.

1. Der Belohnungsirrtum

Der Traum ist meist die Freiheit, als Rentner:in oder Millionär:in das zu tun, was man will und dafür das nötige Geld zu haben. Frei sind wir immer oder nie. Eine Weltreise kann man in jeder Preisgruppe machen, eine gemütliche Wohnung kann ein oder vier Zimmer haben. Wir sehen unsere Möglichkeiten – oder wir sehen sie jetzt nicht, dann werden wir sie auch als Millionär:in oder Rentner:in nicht sehen.

  • Ausweg: Wenn „tun, was wir wollen“ heißt, öfter nichts zu tun, im Garten zu sein oder Hobbys zu pflegen, dann könnten wir das sofort umsetzen.

2. Der Jäger- und Sammlerirrtum

Schnäppchenjäger:in und Shopaholics sind sich zumindest bewusst, dass sie eine kleine Schwäche haben, die gnadenlos ausgenutzt wird: Sie sind immer auf der Jagd nach Dingen. Die Gefahr daran ist, dass es immer etwas Besseres, Schnelleres, Schöneres der gleichen Kategorie gibt, was wir danach haben wollen. Dabei hält die Freude über das Erworbene nur kurz an. Denn das Gehirn passt sich an und schüttet den Glücksboten Dopamin nicht länger aus, wenn wir uns an etwas gewöhnt haben, und das kann schon nach 30 Tagen sein.

  • Ausweg: Besser wäre es, wenn wir Geld für gemeinsame Erlebnisse mit anderen oder für neue Erfahrungen statt für Dinge ausgeben, fand der Psychologe Tom Rath.

3. Der Besitzirrtum

Wir meinen, wenn wir „genug“ Geld besitzen würden, wären wir glücklich. Einmal abgesehen davon, dass es „genug“ nicht gibt und sich der Maßstab im Laufe unseres Lebens immer weiter nach oben verschiebt, gibt es immer auch die Angst, Besitz zu verlieren.

Der Wirtschaftswissenschaftler Richard Easterlin hat junge Amerikaner:innen gefragt, welche Besitztümer sie haben, und was ihrer Meinung nach fehlt, um glücklich zu sein.

Als jüngere Menschen besaßen sie 1,7 der aufgelisteten Dinge und dachten 3,1 würden sie glücklich machen. 16 Jahre später wurden sie wieder befragt und besaßen 4,4 Dinge und meinten 5,6 würden sie glücklich machen. So verschieben sich unsere Maßstäbe ohne dass wir es merken.

  • Ausweg: Psychologisch gesehen macht das Gefühl, genug Geld zu haben, glücklicher als der Besitz selbst, und zwar drei Mal so sehr. Unsere Bewertung von Tatsachen, nicht die Tatsachen selbst entscheiden über unser Wohlbefinden.

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Ilona Bürgel
Ilona Bürgel

Dipl. Psych. Dr. Ilona Bürgel ist eine der ersten Vertreterinnen der Positiven Psychologie im deutschsprachigen Raum und Expertin für körperliches und geistiges Wohlbefinden, promovierte Diplom-Psychologin, Autorin und Referentin. Wie ein roter Faden zieht sich die Einladung zu einem Perspektivwechsel durch ihre Arbeit – weg von der Fixierung auf äußere Bedingungen, hin zum guten Umgang mit sich selbst. Sie zeigt ganz praktische Wege, wie es auf Dauer möglich ist, Leistung und Wohlbefinden miteinander zu verbinden. Nach 15 Jahren im Management in der freien Wirtschaft führt sie seit 2005 ihr eigenes Unternehmen in Dresden. Sie ist regelmäßige Beraterin für Rundfunk, Fernsehen und Printmedien und weil sie gern schreibt, veröffentlicht sie Kolumnen bei Focus-online, Wirtschaftswoche online und in der Sächsischen Zeitung.