"Entdeckt werden ist ein Märchen – Erfolg in der Musikbranche ist harte Arbeit"

Das Hobby zum Beruf zu machen ist für viele ein Lebenstraum, der für Musiker*innen Wirklichkeit wird. Das Musikbusiness ist jedoch hart umkämpft und die (finanziellen) Umstände häufig nicht so traumhaft wie erhofft. Im Interview spricht Imke Machura, Gründerin des Netzwerkes RAKETEREI, darüber, wie besonders Frauen in der Branche Erfolg haben können, welche Rolle ihr Netzwerk dabei spielt und wieso sie findet, dass Frauen in der Musikszene endlich sichtbarer werden sollten.

finanz-heldinnen: Beschreibe uns Deinen Job. Was machst Du genau?

Imke: Ich bin die Gründerin von RAKETEREI. RAKETEREI ist eine Community, die mittlerweile fast 800 Musikerinnen fasst. Als Mentorin, Ideengeberin und Partnerin in Crime unterstütze ich die Künstlerinnen dabei eine profitable musikalische Karriere aufzubauen, in dem wir uns mit Themen rund um die Künstlerinnen-Identität finden oder schärfen, individuelle Arbeits- und Selbstvermarktungsstruktur, Positionierung im Musikmarkt, Reichweitenaufbau und Wachstum auseinandersetzen.

Ziel ist es die Musikerinnen mit einem unternehmerischen Mindset auszustatten, damit sie sich erfolgreich am Musikmarkt positionieren können. RAKETEREI ist die Räuberleiter für Musikerinnen in die Musikbranche.

Wann hast du erkannt, dass so ein Angebot speziell für Frauen benötigt wird?

2016/2017. Ich bin seit fast einem Jahrzehnt Teil der Musikbranche. Bevor ich RAKETEREI gegründet habe war ich viele Jahre als Bookerin, Promoterin, Produkt- und Labelmanagerin tätig.

Ich habe mich irgendwann mit der ganzen Genderthematik, Diversität, Gleichberechtigung etc. angefangen auseinander zu setzen. Dabei habe ich bemerkt, dass es kaum sichtbare Frauen in der Musikbranche gibt. Ich fing an zu podcasten, denn in meinem Podcast gebe ich Frauen (Musikerinnen sowie Industriefrauen) aus der Musikbranche eine Stimme und mache sie sichtbar. Zugleich decke ich mit jeder Folge Musikbranchenstrukturen auf und erkläre sie (gemeinsam mit meinen Gästen).

Seit Jahren schon sind die Geschlechterverhältnisse der Lineups auf Festivals Diskussion in der Branche. Rock am Ring hat vor zwei Wochen die erste Bandwelle für 2020 präsentiert: Nur Männer. Das Problem dabei ist nicht, dass auf den Bühnen eine Monokultur abgebildet wird. Das Problem ist, dass sich durch die Streamingdienste die Einnahmequellen für Musikerinnen und Musiker verlagert hat. Im Live Sektor wird ein Großteil des Geldes verdient und Frauen sind nicht Teil davon. Sie sind Teil des Spiels, aber nur als Zuschauerinnen.

Was sind die größten finanziellen Herausforderungen speziell für Frauen im Musikbusiness?

Eigentlich ist eine gesamte musikalische Karriere eine finanzielle Herausforderung. Du musst erst in Vorleistung gehen und Musik produzieren, Pressematerial zusammenstellen, Musikvideos drehen etc. bevor du anfangen kannst dich sichtbar zu machen.

Musikerinnen müssen nicht nur Marketing für sich machen, sondern auch ein Business begleiten. Was machst Du mit Frauen, die das unternehmerische Denken nicht mitbringen?

RAKETEREI ist die Räuberleiter für Musikerinnen in die Musikbranche. Die Räuberleiter besteht aus fünf Stufen und wenn man mit seiner Musik Geld verdienen möchte, dann sollte man sie Stufe für Stufe und Schritt für Schritt gehen, um sein Haus auf ein stabiles Fundament zu stellen. Ich begleite die Musikerinnen dabei zu erkennen wann welcher Schritt gegangen werden muss, wenn sie denn mit ihrer Musik Geld verdienen möchten. Ich bin aber lediglich Co-Pilotin.

Diese Schritt-für-Schritt-Herangehensweise ist deswegen so wichtig, weil häufig der zweite Schritt vor dem ersten gemacht wird. Es wird z.B. ein YouTube Kanal angelegt, aber ohne sich Gedanken darüber zu machen, was genau auf diesem Kanal passieren wird. Aber weil alle einen Kanal haben, legt man selbst auch einen an und ist dann frustriert, wenn er nicht wächst.

Wie wirkt sich die Rolle von großen Musikfirmen auf die Künstler*innen aus?

Welche Musikfirmen genau? Major Labels? Große Firmen oder die Platzhirsche sind nun mal da. Das ist in jeder Branche der Fall. Bevor man sich eine Karriere in der Musikbranche aufbaut, sollte man unbedingt vorher eine Vision entwickeln. Also Antworten auf die Fragen haben: Wo will ich eigentlich hin? Wofür möchte ich stehen? Welche Botschaft möchte ich raus in die Welt tragen. Das wird einem dann ganz schnell zeigen in welche Richtung die Reise geht. Hier kann dann durchaus eine Zusammenarbeit mit einer „großen Musikfirma“ sinnvoll sein. Es kommt darauf an was jeder individuell möchte.

Du hast in einem Interview gesagt, dass weibliche Vorbilder in der Musikbranche in Deutschland fehlen. Woran liegt das und wie kann sich das ändern?

Die Musikbranche Is a Man’s World. Gucken wir uns z.B. die großen Major Labels an. Hier sitzen Frauen zwar auf Positionen, auf denen sie eine leitende Funktion haben, aber geleitet werden diese Unternehmen von Männern. Das Geld liegt ebenfalls in den Händen von Männern. Was können wir seit Jahren (auch in anderen Branchen) beobachten? Gleich und gleich gesellt sich gerne. Das illustriert der Thomas-Kreislauf der Allbright Stiftung ganz wunderbar und das erklärt es auch irgendwie. Aber in der Musikbranche werden zunehmend Stimmen wach, die das so nicht mehr akzeptieren wollen. Keychange aus England z.B. setzt sich für Geschlechtergleichheit auf Festivalbühnen ein. Ich bin keine Freundin von Quoten, aber das ist ein Anfang! Ich will sagen: Die Frauen in der Musikbranche werden zusehends lauter und machen sich bemerkbar.

Aus diesem Grund richtet sich RAKETEREI auch ausschließlich an Musikerinnen. Ich habe durch meine jahrelange Arbeit sehr viel Wissen rund um Strukturen angehäuft. Das gebe ich deswegen weiter, um den Frauen einen Vorteil zu verschaffen, damit sie aufholen können. Es geht um unsere Hälfte des Kuchens. Ich finde, dass er den Frauen zusteht. Nicht mehr. Nicht weniger.

Was rätst Du jungen Frauen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, ihr Hobby zum Beruf zu machen?

Jede Musik hat ihre Berechtigung und auch einen Markt! Jeder – der mit seiner Musik Geld verdienen möchte – sollte sich aber die Mühe machen seine Nische zu finden. Und dann heißt es: Vision entwickeln und dranbleiben. Es sind die erfolgreich, die einen langen Atmen und ein unternehmerisches Mindset haben. Musik ist am Ende des Tages ein Produkt, das verkauft wird. Diese Perspektive ist unsexy und auch unbeliebt, aber nun mal Tatsache. Und dann muss man sich auf seinen Arsch setzen und arbeiten. Nichts fällt von Himmel und dieses „entdeckt werden“ ist ein Musikbranchen-Märchen. Das passiert vielleicht – aber in 99,9% ist es harte Arbeit.

Imke Machura

Bereits seit ihrer Kindheit ist Imke Machura begeistert von Musik. Sie machte ihre Leidenschaft zum Beruf und war lange als Label- und Produktmanagerin für NWOG Records, als Promoterin für Heart Beat & Soul sowie die altonale und als Bookerin für diverse Independent Artists tätig. Um Frauen in ihrer Branche mehr Gehör zu verschaffen und gegen bestehende Genderrollen anzugehen, gründete sie 2017 ihren Podcast und die dazugehörige Community RAKETEREI – ein Netzwerk, das Musikerinnen dabei unterstützt, eine profitable musikalische Karriere aufzubauen.