Auf "Nummer sicher" ist nicht mehr sicher

„sichere“ Geldanlage

Es war einmal… So würde das Märchen über glückliche Sparer:innen anfangen. Aber dieses Märchen gibt es nicht mehr. Die Zinsen sind abgeschafft und mit ihnen die „sichere“ Geldanlage.

Märchen gehören in die Zeit unserer Kindheit. Zinsen leider auch. Die Zeiten, in denen sich das Ersparte innerhalb weniger Jahre wie von selbst verdoppelte, sind lange vorbei. 350 Jahre dauert es, bis sich Dein Geld bei einer Rendite von 0,2 Prozent pro Jahr verdoppelt. Aber wer bekommt schon noch 0,2 Prozent Zinsen?

Natürlich ist Sparen noch immer eine feine Sache. Aber das Geld einfach auf dem Sparbuch, Tagesgeldkonto oder gar Girokonto rumliegen zu lassen, ist in Zeiten von homöopathisch niedrigen Zinsen keine gute Idee mehr. Im Gegenteil!

Liegt die Inflation nämlich über der erzielten Rendite, verliert das Geld an Kaufkraft. Experten nennen das den negativen Realzins. Bei einer aktuellen Inflation von etwa zwei Prozent trifft es Sparende besonders hart. Wer ausschließlich auf Sicherheit setzt, darf sich nicht wundern, wenn das Vermögen nicht wächst. Langfristig verlieren wir sogar Geld. Deine Kaufkraft schwindet – Jahr für Jahr –, wenn Du nur auf Sparanlagen setzt. Diese sichere Geldanlage ist längst nicht mehr sicher. Im Gegenteil. Sie macht Dich ärmer.

Im ersten Halbjahr 2019 hast Du bereits über 200 Euro verloren, wahrscheinlich ohne es zu merken. Insgesamt haben die deutschen Sparer:innen in den ersten sechs Monaten des Jahres nämlich fast 17 Milliarden Euro durch niedrig verzinste Geldeinlagen eingebüßt. Macht etwa 205 Euro pro Bundesbürger:in – vom Säugling bis zum/zur Rentner:in. Ein trauriger Rekord. Und übrigens das Ergebnis des quartalsweise erscheinenden comdirect Realzins-Radar.

Dein finanzieller Schaden wird immer größer

Allein zwischen Juli und September 2019 lag der Wertverlust bei 7,8 Milliarden Euro und damit 94 Euro pro Kopf. Der Grund ist eine gestiegene Inflationsrate von durchschnittlich 1,47 Prozent im dritten Quartal 2019. Das ist der höchste Stand seit Ende 2012. Gleichzeitig liegen die durchschnittlichen Zinssätze für Tagesgeld, Festgeld und Spareinlagen mit 0,15 Prozent auf einem historischen Tiefstand. Der Realzins liegt damit bei minus 1,32 Prozent.

Wenn Du also weiter Dein Geld auf Sparkonten anhäufst, dann wird es nichts mit der Verdoppelung des Vermögens. Zumindest nicht zu Deinen Lebzeiten. Denn auf absehbare Zeit wird es wohl keine nennenswerten Zinsen mehr geben. Und der finanzielle Schaden jedes einzelnen wird immer größer. Jede:r Deutsche hat seit Ende 2010 im Schnitt 1.117 Euro durch Geldeinlagen verloren, deren Verzinsung unterhalb der Inflationsrate liegt. Das geht gar nicht!

Was also tun? Woher soll die Rendite kommen? Wie viel Rendite braucht es überhaupt? Wie wäre es mit vier Prozent pro Jahr? Bei einer solchen Rendite dauert es übrigens nur 18 Jahre, bis sich das angelegte Geld verdoppelt. Wenn Du eine auskömmliche Rendite erzielen willst, Dein Erspartes oder besser: Dein angelegtes Geld in absehbarer Zeit verdoppeln willst, dann muss Du stärker ins Risiko gehen.

Und damit sind wir auch schon beim Problem: Risiko. Bei der Geldanlage sind die Deutschen enorm risikoscheu. Sie scheuen Kursschwankungen wie bei Aktien, sie meiden jegliches Verlustrisiko und deshalb auch Aktien. Wenn das bei Dir genauso ist, bist Du also nicht alleine. Wir müssen vor dem Risiko aber gar keine Angst haben. Natürlich sind Aktien riskanter als Anleihen, das ist unbestritten. Sie schwanken, es gibt keinen Tag X, an dem wir unser investiertes Kapitel zu 100 Prozent zurückbekommen. Verluste sind jeder Zeit möglich. Gewinne aber natürlich auch. Denn Risiko kann auch ein Ereignis mit positiver Auswirkung sein. Dann bedeutet Risiko die Chance auf Kursgewinne.

Doch wir denken nur an die Verluste, das ist menschlich. Wir wollen einfach kein unnötiges Risiko eingehen. Doch kommt der Faktor Zeit ins Spiel, sinkt das Risiko gen null. An der Börse zählt nämlich neben der Risikostreuung über viele Einzeltitel, Branchen und Regionen – im Börsendeutsch Diversifikation – vor allem der Faktor Zeit. Je länger ein:e Anleger:in investiert ist, desto geringer das Risiko, Geld zu verlieren. Und desto höher die Chance, eine stattliche Rendite einzufahren.

Langfristig sind Aktie nicht zu schlagen

Wie hoch diese Chancen im Laufe der Zeit werden, zeigt beispielsweise der Rendite-Risiko-Radar der Privatbank. Es ermöglicht die realistische Einschätzung von Ertragschancen und Verlustrisiko für verschiedene Kapitalanlagen. Er zeigt sehr anschaulich, dass die kurzfristig oft dramatischen Verluste an der Börse langfristig kaum noch zählen. Und gerade dieser langfristige Blick ist wichtig.

Der Deutsche Aktienindex (DAX) etwa, in dem die größten börsennotierten deutschen Unternehmen gelistet sind, weist ab einer Haltedauer von zwölf Jahren keine Verluste mehr auf. Das Risiko ist verschwunden. Und wer beispielsweise von 1996 bis 2017 investiert war, kann sich über eine durchschnittliche jährliche Rendite von 7,15 Prozent pro Jahr freuen – trotz mehrerer heftiger Crashs. Aktien sind langfristig die renditestärkste Anlageklasse überhaupt. Das hat sogar die Bundesbank höchstamtlich in einem ihrer Monatsberichte festgestellt. Aber natürlich sollst Du nicht Dein ganzes Vermögen in Aktien investieren. Aber ein größerer Anteil sollte es schon sein, schließlich wollen wir unser Geld ja verdoppeln.

Sehr vorsichtigen, also konservativen Anleger:innen empfehle ich in meinen Büchern, 30 Prozent ihres Vermögens in Aktien zu stecken. Das mag viel klingen, aber in Zeiten von Nullzinsen sind Aktien alternativlos, wenn wir kein Geld verlieren wollen. Ausgewogene Anleger:innen, die etwas mutiger sind und auch größere Rücksetzer gut verkraften können, dürfen den Aktienanteil auf 50 Prozent hochschrauben. Wer wie ich überzeugte Börsianerin ist, das Risiko nicht scheut und sehr, sehr langfristig investiert, kann bis zu 80 Prozent an der Börse anlegen.

Halten wir also fest: Vermeintlich sichere Anlage kosten uns Geld, gehen wir ein bisschen mehr ins Risiko, steigt auch unsere Rendite. Natürlich sind Aktien riskanter als Anleihen, aber das Risiko sinkt langfristig. Also nur Mut! Er wird sich auszahlen.

Jessica Schwarzer
Jessica Schwarzer
Journalistin und Börsenexpertin

Jessica Schwarzer ist Autorin für das finanz-heldinnen Magazin und eine der renommiertesten Finanzjournalistinnen Deutschlands. Ihre Leidenschaft für die Börse hat die gebürtige Düsseldorferin zum Beruf gemacht. Die langjährige Chefkorrespondentin und Börsenexpertin des Handelsblatts (2008 bis 2018) arbeitet heute selbstständig als Journalistin und Moderatorin. Sie hat mehrere Bücher über die Psychologie von Anlegern und Investmentstrategien geschrieben. Die deutsche Aktienkultur ist ihr eine Herzensangelegenheit, für die sie sich auch mit Vorträgen und Seminaren stark macht. Darüber hinaus schreibt sie eine wöchentliche Kolumne bei onvista.de, einem der meistbesuchten Finanzportale in Deutschland.