Dividendenrendite und Kurs-Gewinn-Verhältnis – zwei sehr beliebte und einfach zu verstehende Kennzahlen zur Aktienauswahl, die uns auch aber leider schnell in die Irre führen können.
Selbst nach der Rally der vergangenen Monate gibt es an der Börse noch immer Sonderangebote. Die meisten Autoaktien im Dax sind ein Beispiel dafür, denn sie sind einfach extrem günstig bewertet. Abzulesen ist das am Kurs-Gewinn-Verhältnis, kurz: KGV. Diese Kennzahl gibt an, mit dem Wievielfachen seines Gewinns ein Unternehmen an der Börse gehandelt wird.
Nehmen wir als Beispiel die fiktive finanz-heldinnen AG mit einem Aktienkurs von 7,35 Euro. Der Gewinn pro Aktie liegt bei 0,89 Euro. Daraus ergibt sich folgende KGV-Berechnung: 7,35 / 0,89 = 8,26
Hoch oder niedrig – eine Frage der Definition
Das KGV kann hoch oder niedrig sein, nur leider gibt es keine eindeutige Definition, was das genau heißt. Ein KGV unter zehn gilt eher als niedrig, eines über 20 eher als teuer. Aber das ist nicht in Stein gemeißelt. Es gibt Branchen, die eher niedrig bewertet sind und andere, vor allem den Technologiesektor, die eher höher bewertet sind. Höher oder hoch bewertet bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass die Aktien teuer oder gar zu teuer sind. Verwirrend, oder?
Der Dax, genauer die 40 größten deutschen börsennotierten Unternehmen, haben zum Jahreswechsel 2024/2025 ein KGV von durchschnittlich 18,24. Bank- und Autoaktien sind teils deutlich günstiger bewertet, Technologieaktien deutlich höher. Das sagt aber nichts darüber aus, ob sie deshalb eine gute Chance oder eben ein hohes Risiko haben. Besser ist da der Vergleich innerhalb einer Branche, der Blick auf die Entwicklung der Gewinne der vergangenen Jahre hilft auch. Sind die Chancen für die Zukunft gut, sind Investor:innen nämlich bereit „mehr“ zu zahlen. Fallen die Gewinne, läuft es nicht mehr gut und das Risiko ist höher, dann sind sie es nicht. Das KGV sagt immer auch etwas darüber aus, was „der Markt“, also die Investor:innen erwarten, wie sie ein Unternehmen einschätzen.
Niedrige KGVs in der (Branchen-)Krise
Beispiel Automobilbranche: Die deutschen Autobauer im Dax sind extrem niedrig bewertet, Porsche Automobile Holding, Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW haben KGVs im niedrigen einstelligen Bereich. Das spiegelt die Krise der Branche wider. Einbrechende Umsätze, stark schmelzende Gewinne, Personalabbau und teilweise drohende Werksschließungen – das tut den Bewertungen nicht gut.
Die Dividendenrenditen sind allerdings mehr als üppig. Im Dax werden durchschnittlich etwas mehr als drei Prozent gezahlt, bei den Autowerten sind es acht, neun, zehn und mehr Prozent – je nach Unternehmen. Doch der schöne Schein trügt. Wenn die Kurse abstürzen, wie bei den Autoaktien über Monate passiert, dann steigt rein rechnerisch die Dividendenrendite. Wenn es wirtschaftlich so schlecht läuft wie in der Automobilindustrie, dann drohen unweigerlich irgendwann Dividendenkürzungen oder gar Streichungen – spätestens zur nächsten Hauptversammlung. Und das war es dann mit der sensationellen Dividendenrendite.
Das spricht aber nicht gegen die beliebte Dividendenstrategie. Es spricht für eine Risikostreuung, auch bei dieser Strategie. Denn Kürzungen oder sogar Streichungen der jährlichen Gewinnausschüttung sind gar nicht so selten. Deshalb solltest Du lieber auf Fonds und ETFs setzen als auf Einzelaktien. Grundsätzlich ist die Dividendenstrategie aber sehr erfolgreich, die Ausschüttungen machen sogar einen großen Teil unserer langfristigen Erträge aus. Und natürlich kann es auch Sinn machen, günstig bewertete Aktien zu kaufen, aber schau sehr genau hin, warum sie so günstig oder zumindest günstiger als andere sind. Das ist dann übrigens die Value-Strategie à la Warren Buffett. Auch hier bieten sich Fonds und ETFs an.
Das Wichtigste in Kürze:
- Lass Dich nicht von Kennzahlen in die Irre führen.
- Für ein extrem niedriges KGV gibt es oft gute Gründe. Günstig ist dann nicht immer gut.
- Auch eine vermeintlich hohe Dividendenrendite ist nicht immer gut. Schau genau hin, warum sie (rein rechnerisch) so hoch ist.
- Betrachte immer mehrere Kennzahlen, schau in die Bilanz, lies Analyst:innenkommentare, wenn Du in Einzelaktien investieren möchtest.
- Einzelaktien sind immer riskanter als Fonds oder ETFs – Stichwort Risikostreuung.

Jessica Schwarzer ist Autorin für das finanz-heldinnen Magazin und eine der renommiertesten Finanzjournalistinnen Deutschlands. Ihre Leidenschaft für die Börse hat die gebürtige Düsseldorferin zum Beruf gemacht. Die langjährige Chefkorrespondentin und Börsenexpertin des Handelsblatts (2008 bis 2018) arbeitet heute selbstständig als Journalistin und Moderatorin. Sie hat mehrere Bücher über die Psychologie von Anleger:innen und Investmentstrategien geschrieben. Die deutsche Aktienkultur ist ihr eine Herzensangelegenheit, für die sie sich auch mit Vorträgen und Seminaren stark macht. Darüber hinaus schreibt sie eine wöchentliche Kolumne bei onvista.de, einem der meistbesuchten Finanzportale in Deutschland.