F***-Off-Konto: Reserve für berufliche Sprünge

Reservekonto

Manchmal ist die Kündigung der einzige Ausweg, um beruflich wieder in gesundes Fahrwasser zu kommen. Diese Sparstrategie macht sich in jedem Fall bezahlt.

Im Job zu bleiben war für Kerstin keine Option mehr. Zu lange hatte sie auf die oft versprochene Beförderung gewartet, zu oft hatte sie die zermürbenden Auseinandersetzungen mit ihrem Chef ausgehalten. An einem Dienstag nach dem wöchentlichen Jour Fixe und einer weiteren emotionalen Auseinandersetzung kündigte sie: „Das war’s.“ Fast alle von uns haben sich schon einmal vorgestellt, dem Alltag in schwierigen Situationen den sprichwörtlichen Finger zu zeigen. Ob es um ein toxisches Arbeitsverhältnis oder um Dauerkrisen in der Partnerschaft geht, irgendwann kommt der Punkt, an dem wir nur noch hinwerfen wollen. Oder uns diese lang ersehnte Auszeit nehmen, um endlich wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Wie schafft man es, die Flucht nach vorn zu finanzieren?

Das kostet der Sprung in die Freiheit

Kerstin kündigte spontan, aber sie hatte für unvorhersehbare Ereignisse dieser Art finanziell vorgesorgt. Immerhin drei Netto-Monatsgehälter hatte sie angespart, genug Geld, um die Zwölf-Wochen-Sperrfrist zu überbrücken, bis Arbeitnehmer nach einer Eigenkündigung Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Diesen Puffer setzt sie jetzt – vorübergehend – für ihren beruflichen Neustart ein. Drei Netto-Monatsgehälter: Einen solchen Betrag beiseite zu legen ist selbst für sparsame Persönlichkeiten mit Planung und Ausdauer verbunden. Schließlich wollen neben den monatlichen Lebenshaltungskosten auch bestehende Sparziele und -verpflichtungen erfüllt werden. So zahlt Kerstin als private Altersvorsorge einen dreistelligen monatlichen Betrag in einen ETF-Sparplan ein und möchte in Zukunft auch Geld für eine Immobilie ansparen. Es gibt einen Sparplan für ein Patenkind und einen Topf, aus dem sie ihre nächste Reise finanzieren möchte. Um parallel dazu drei Netto-Monatsgehälter anzusparen, musste die 34-jährige sich über 24 Monate hinweg „ganz schön strecken“.

Aber reicht diese Summe auch, um sich von einer beruflichen Krise freizuschwimmen? Schließlich kann niemand vorhersagen, wie lange die Suche nach einer neuen Stelle dauert. Das gilt umso mehr, wenn eine höhere Karrierestufe oder ein neues Berufsfeld das Ziel ist. Dann ist das Konto für alle Fälle auch der Topf, aus dem eine Weiterbildung oder ein Karrierecoaching bezahlt wird. Und auch die dringend ersehnte Auszeit will ins Budget eingerechnet werden. Unter diesen Umständen sind sechs Monatsgehälter und mehr realistischer.

Verhandlungsstrategie

Keine Frage: Es kostet Mut und Geld, einer beruflichen Krise entschlossen den Rücken zu kehren. Und leider besteht auch nur wenig Spielraum, um den Arbeitgeber mit einer starken „Dann-gehe-ich-aber“-Geste unter Druck zu setzen. Claudia Kimich arbeitet seit 15 Jahren als Coach für Verhandlungstechnik. Ihr Fazit: „Wenn Frauen mit einer Kündigung drohen, dann müssen sie wirklich kündigen, sonst werden sie vom Arbeitgeber nicht mehr ernst genommen. Wenn Männer eine Kündigung erwähnen, bekommen sie meist mehr Geld angeboten.“ Als Ursache für diese Tendenz sieht sie unterschiedlich hohe Ansprüche an die Arbeitszufriedenheit und Vergütung. Frauen seien leidensfähiger und kündigten häufig erst dann, wenn für sie eine Weiterbeschäftigung im Unternehmen nicht mehr vorstellbar sei. Sie würden dann unter keinen Umständen im Unternehmen bleiben wollen. „Viele Arbeitgeber wissen das und verhalten sich entsprechend.“ Nur manchmal käme nach der tatsächlichen Kündigung doch noch ein besseres Angebot. Die Trainerin rät deshalb dazu, sich gar nicht erst emotionalen Pattsituationen im Job auszuliefern. Sie empfiehlt, Gehaltsverhandlungen frühzeitig und regelmäßig in die berufliche Entwicklung einzuplanen. Darüber hinaus gilt: Wer schon länger im Unternehmen ist und den Absprung sucht, sollte in jedem Fall mit dem Arbeitgeber über eine Freistellung sprechen. Bei einer Betriebszugehörigkeit von acht oder neun Jahren stehen die Chancen gut, einen lukrativen Abfindungsvertrag auszuhandeln.

Auch bei einem ruhigeren Karriereverlauf ist es selbstverständlich sinnvoll, ein Konto für berufliche Sprünge aufzubauen. Zum Beispiel, um ein zusätzliches Studium zu finanzieren oder um sich für einen Job zu bewerben, der mit einem größeren Umzug verbunden wäre.

Entscheidend fürs beruflich-finanzielle Wohlbefinden ist die geänderte Perspektive: anstelle eines gestressten „weg von“ steht ein optimistisches „hin zu“.

Checkliste

So gehst Du vor, um Dein F***-Off-Konto anzulegen und aufzufüllen.

  • Location wählen
    Richte für dieses Sparziel ein eigenes Konto ein. Am besten ist Dein finanzielles Karrierekissen auf einem Tagesgeldkonto aufgehoben. Es schützt vor der Versuchung, das Ersparte spontan für anderes auszugeben.
  • Ballast abwerfen
    Prüfe die Zahlungen, die monatlich von Deinem Girokonto abgebucht werden: Dazu zählen vor allem Miete, Krankenkassenbeitrag oder Zahlungen für einen Riestervertrag, die Leasingrate fürs Auto und gegebenenfalls die Tilgungsrate für den Immobilienkredit. Sind Leistungen darunter, die Du in den letzten Monaten nicht genutzt hast, beispielsweise das dritte Streaming-Abo oder die Mitgliedschaft im Fitnessclub? Dann ist jetzt der richtige Moment, diese zu kündigen.
  • Sparpotenzial ermitteln
    Durchleuchte Deine sonstigen Ausgaben: Wie viel Geld gibst Du für Lebensmittel, fürs Ausgehen oder für Kleidung aus? Auf welche Ausgaben kannst Du am Leichtesten verzichten? Bei vielen Bankkonten kannst Du Deine Ausgaben automatisch kategorisieren lassen und Dein Sparpotenzial herausfinden.
  • Automatisiert sparen
    Errechne Deine monatliche Sparrate und richte einen Dauerauftrag für die Überweisung auf Dein Karrierekonto ein.
  • In den höheren Gang schalten
    Wenn Du Deine Stelle möglichst bald kündigen möchtest, muss der Spartopf schneller gefüllt werden. Die monatlichen Sparraten reichen dafür meist nicht aus. Verschiebe größere Ausgaben wie den Drei-Wochen-Urlaub oder die neue Wohnzimmereinrichtung.
  • Ankommen
    Die berufliche Auszeit ist zu Ende und ein neuer Job oder Plan in Aussicht. Falls noch Geld übrig ist, sollte es wieder zurück ins Notgroschen-Konto fließen. Dieses Konto wird aufgefüllt, bis die empfohlene Höhe von drei Nettogehältern wieder erreicht ist.