So heftig trifft uns der Zinsanstieg

Nahaufnahme von einer Frau: Dokumente in der Hand halten, Nachrichten auf dem Smartphone eingeben und Verträge und Statistiken überprüfen
Closeup of unrecognizable busy woman multitasking: holding documents in hand, typing message in smartphone and reviewing contracts and statistics while working with laptop at cafe table in evening

Sparer:innen freuen sich, dass es endlich wieder Zinsen gibt. Für alle, die aber einen Kredit aufnehmen, ist die Zinswende wirklich hart. Eine Bestandsaufnahme von Finanzjournalistin Jessica Schwarzer.

Das wird teuer! Mein Leasingvertrag läuft im Sommer aus und ein neues Auto muss her. Wie viele Freiberufler:innen und Selbstständige lease ich. Dass es ein bisschen teurer wird, war mir klar. Aber so teuer? Meine Leasingrate steigt mal eben um 50 Prozent. Statt wie bisher 214 Euro zahle ich ab Juli nun stolze 325 Euro. Und das nicht, weil ich mir ein besonders luxuriöses Modell ausgesucht hätte oder vom Kleinwagen auf einen Sportflitzer gewechselt wäre.

Nein, es liegt doch glatt fast komplett am Zinsanstieg. Das neue Auto ist nämlich im Grunde das alte Auto – dasselbe Model, dieselbe Ausstattung, fast derselbe Preis. Aber eben zu anderen Konditionen. Habe ich bisher drei Jahre lang 0,99 Prozent Effektivzins gezahlt, sind es nun 5,15 Prozent. Das schmerzt. Zugegeben, das ist ein Luxusproblem. Ich könnte ein paar Extras weglassen oder gleich ein günstigeres Modell wählen. Zur Not könnte ich sogar auf Bus und Bahn umsteigen. Mein kleines Luxusproblem zeigt aber trotzdem ziemlich eindrucksvoll, wie teuer die Notenbanken unser Leben machen.

Passende Podcastfolge

2022 war das Jahr der Zinswende. Es geht sportlich aufwärts. Zuletzt hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins im Dezember um 50 Basispunkte auf 2,5 Prozent angehoben. Das ist happig, vor allem nach der jahrelangen Nullzinspolitik. Weitere Zinsschritte werden wohl folgen. Mit den steigenden Zinsen bekämpfen die Notenbanken die horrende Inflation. Das ist natürlich grundsätzlich gut so. Ziel ist es, die Nachfrage zu bremsen und so den weiteren Preisanstieg – Inflation ist ja nichts anderes als die Teuerungsrate – abzubremsen. Aktuell hat die Sache allerdings einen Haken, denn die Inflation ist vor allem durch Angebotsmängel getrieben. Aber das ist ein anderes Thema. Steigende Leitzinsen der Zentralbank führen zu steigenden Zinsen in fast allen Bereichen von Wirtschaft und Finanzmärkten. Während die Sparzinsen nur langsam steigen, klettern die Kreditzinsen deutlich schneller.

Was macht eigentlich eine Notenbank? Die Antwort sowie die obersten Ziele von Zentralbanken erfährst Du in diesem Beitrag.

Das sieht man an meiner Leasingrate und bei jeder anderen Finanzierung. Beispiel Ratenkredit: Noch vor einem Jahr warben Banken mit Effektivzinsen von unter zwei Prozent, manche sogar mit unter einem Prozent für eine Kreditsumme von 15.000 Euro, bei einer Laufzeit von 36 Monaten und natürlich „bester Bonität“. Das haben also nur super gute Schuldner:innen mit reiner Schufa-Weste bekommen, also theoretisch. Denn das sind oft Lockangebote, die nicht alle wirklich bekommen. Die Expert:innen der FMH-Finanzberatung schauen deshalb für ihre Rankings auch auf den Zins, den zwei Drittel der Kund:innen in der Realität bekommen. Da „kostete“ der Kredit dann im besten Fall knapp zwei Prozent, oft aber eben auch mehr als drei Prozent. Doch diese Zeiten sind vorbei. Wer heute unter fünf Prozent zahlt, kommt noch gut davon. Oft steht eine fünf, sechs oder sogar sieben vor dem Komma. Und wir reden immer noch von Krediten für sehr, sehr gute Schuldner:innen. Je schwächer die Bonität, also das Rating bei der Schuldneragentur Schufa, desto teurer wird es.

Wer Geld braucht, muss viel zahlen – Tendenz steigend mit weiteren Zinserhöhungen. Auf den einen oder anderen Luxus magst Du verzichten können, wenn Du aber beispielsweise umziehst und für die neue Wohnung eine Küche brauchst – ohne geht es ja nicht –, dann wird das ein teures Vergnügen, wenn Du sie finanzieren musst. Oder die Nebenkostenabrechnung trudelt ein und die Nachzahlung übersteigt Deine momentanen finanziellen Möglichkeiten. So ein Ratenkredit ist eine teure Angelegenheit, aber immer noch günstiger als die Überziehungszinsen auf dem Girokonto.

Richtig hart trifft es Immobilienbesitzer:innen, deren Kreditvertrag ausläuft und die eine neue Baufinanzierung brauchen. Auch die Bauzinsen sind kräftig gestiegen – von einem Prozent zu Jahresbeginn 2022 bis zum Jahresende auf rund 3,5 Prozent für ein zehnjähriges Darlehen. Aktuell liegt der durchschnittliche Zins für eine zehnjährige Hypothek laut Angaben der FMH-Finanzberatung bei 3,59 Prozent. Mit diesem sehr sportlichen Zinsanstieg hat vor ein paar Jahren wohl kaum jemand gerechnet. Gut, dass durch die Tilgung die Summe für den Anschlusskredit gesunken ist. Trotzdem reden wir eben von deutlich höheren Kreditsummen als bei der Küche oder dem Auto. Da kann es schnell eng werden. Deutschlands größter Vermittler privater Baufinanzierungen, die Interhyp, rechnet für 2023 übrigens mit Zinsen zwischen drei und vier Prozent. Es kann also leider noch ein bisschen schlimmer werden, aber auch ein bisschen besser.

Das Auto kann kleiner und damit günstiger ausfallen, der Traumurlaub auf Pump ist sowieso keine gute Idee und sollte lieber ausfallen, aber eine Küche braucht es und auch die Nebenkosten müssen bezahlt werden. Von der Anschlussfinanzierung für die Immobilien wollen wir gar nicht erst reden. Wohl derjenigen, die gerade kein Geld von der Bank brauchen. Falls Du aber doch einen Kredit benötigst, solltest Du auf jeden Fall die Konditionen vergleichen. Im Internet findest Du jede Menge Vergleichsrechner, beispielsweise auf der Internetseite der FMH-Finanzberatung.

Dort kannst Du übrigens auch Sparzinsen vergleichen. Denn auch die steigen wieder. Manche Neobroker werben schon wieder mit zwei Prozent und mehr auf das Tagesgeld um die Gunst fleißiger Sparer:innen. Andere Banken sind noch etwas knausriger, aber werden sicher langsam nachziehen. Wenigstens eine gute Nachricht, oder?

Jessica Schwarzer

Jessica Schwarzer

Jessica Schwarzer ist Autorin für das finanz-heldinnen Magazin und eine der renommiertesten Finanzjournalistinnen Deutschlands. Ihre Leidenschaft für die Börse hat die gebürtige Düsseldorferin zum Beruf gemacht. Die langjährige Chefkorrespondentin und Börsenexpertin des Handelsblatts (2008 bis 2018) arbeitet heute selbstständig als Journalistin und Moderatorin. Sie hat mehrere Bücher über die Psychologie von Anleger:innen und Investmentstrategien geschrieben. Die deutsche Aktienkultur ist ihr eine Herzensangelegenheit, für die sie sich auch mit Vorträgen und Seminaren stark macht. Darüber hinaus schreibt sie eine wöchentliche Kolumne bei onvista.de, einem der meistbesuchten Finanzportale in Deutschland.