Zeit für einen Jobwechsel?

40 Jahre bei einem Arbeitgeber? Das war einmal. Die heutigen Erwerbsbiografien sind geprägt von Wechseln – sei es, weil man etwas Neues ausprobieren möchte oder muss. Wie man sich gut auf die neue Herausforderung vorbereitet, erklärt die Münchner Karriereberaterin Madeleine Leitner.

finanz-heldinnen: Frau Leitner, zu Ihnen kommen viele Menschen, die sich mit dem Gedanken tragen, der Karriere eine andere Wendung zu geben. Was sind die Gründe dafür?

Madeleine Leitner: Die Motivation ist sehr vielfältig. Manche stört, dass sich nach ein paar Jahren zu viel Routine im Job eingeschlichen hat. Sie erhoffen sich von einem Wechsel frischen Wind. Bei bestimmten Karrieremodellen existiert auch eine Art ungeschriebenes Gesetz, das einen Wechsel nach drei bis fünf Jahren empfiehlt. Im Managementbereich ist das etwa der Fall. Und dann gibt es auch bestimmte Lebensalter, die für Wechselgedanken prädestinieren. So hatte ich eine Weile viele Männer mit 39 ½ Jahren, die mich in einer Art Torschlusspanik beauftragt haben.

Natürlich hängt die Motivation aber auch vom Arbeitsmarkt ab. Wenn Arbeitslosigkeit droht, klammert sich manche*r sogar an einen ungeliebten Job. Umgekehrt sind manche Wechsel gerade am Anfang des Berufslebens eher unfreiwillig, weil es nur befristete Verträge gibt.

Woran kann man merken, dass die Zeit für einen Wechsel gekommen ist?

Wenn ich mit schlechter Laune zum Arbeitsplatz gehe, mich zu Tode langweile oder ärgere und natürlich, wenn mich der Job krank macht. Das zu erkennen, beziehungsweise sich einzugestehen, ist aber oft nicht einfach. Es gibt einige Menschen, die eine ausgeprägte Leidensfähigkeit haben und dann trotzdem ausharren.

Existieren ungeschriebene Regeln für den nächsten Karriereschritt?

Lange Zeit war bei Karrierewegen vor allem ein Aufstieg wichtig: höhere Position, mehr Verantwortung, mehr Geld. Das hat sich allerdings in den letzten Jahren gelockert. Ein Sabbatical oder eine Kündigung ins Blaue hinein, ohne einen neuen Job zu haben, wäre noch bis vor Kurzem ein Karriere-Aus gewesen. Heute gilt das als mutig und ist akzeptiert. Das zeigt letztlich, dass man in Bezug auf einen Jobwechsel vor allem auf sich selbst hören sollte.

Wie findet man den Job, der zu einem passt?

Indem man sich als erstes genau darüber Gedanken macht. Ich gehe bei meinem Ansatz von der Person aus und helfe ihr, sich zunächst Klarheit darüber zu verschaffen, was sie eigentlich möchte und woran sie erkennt, dass sie am richtigen Ort ist. Erst dann kann sie im nächsten Schritt das passende Gegenstück finden.

Die richtige Passung hat übrigens mit viel mehr zu tun als der reinen Aufgabe, die einen bei dem neuen Arbeitsplatz erwartet. Die meisten Klienten, die zu mir kommen, leiden unter ihren Jobs, weil zum Beispiel die Chemie nicht stimmt, der Beruf nicht mit ihrem Privatleben vereinbar ist oder weil sie sich nicht mit den Werten identifizieren können. Daher ist es so wichtig, diese Faktoren bei der Standortbestimmung zu definieren: der Teufel liegt oft im Detail.

Und wie gehe ich die Suche konkret an?

Am besten hält man die Augen auf und setzt von Anfang an auf den verdeckten Stellenmarkt. Dazu gehört, alte Kontakte aufzufrischen und an der eigenen Sichtbarkeit zu arbeiten. Gespräche mit Freunden und Familie helfen, Karrierewebseiten von Unternehmen geben erste Eindrücke, aber auch die Berichterstattung in den Medien hilft zum Beispiel, potenzielle Arbeitgeber zu identifizieren und womöglich Kontakte dorthin zu bekommen.

Sollte sich zeigen, dass für den nächsten Schritt eine Weiterbildung sinnvoll wäre, kann ich auch dies frühzeitig in Angriff nehmen. Allerdings sollte man vorher sein Ziel noch einmal auf den Prüfstand stellen – denn die Vorstellung von einem Beruf kann sich von der Realität sehr unterscheiden.

Wie kann ich im Vorstellungsgespräch auf die Frage reagieren, warum ich wechseln möchte?

Man sollte dem Gegenüber glaubhaft machen können, dass der Wechsel keine „Flucht vor etwas“, sondern ein „Schritt hin zu etwas“ ist. Je besser man sich kennt und seine eigenen Vorstellungen darlegen kann, desto überzeugender ist das.

Ich glaube, viele Personaler*innen hassen inzwischen die üblichen glatten, auswendig gelernten Antworten. Es geht ja im Vorstellungsgespräch gar nicht darum, dass man unbedingt den Job bekommen möchte, sondern um eine Abklärung, ob der Arbeitgeber und man selbst auch miteinander zurechtkommen – im Idealfall sogar miteinander glücklich werden.

Oftmals ist ein Jobwechsel auch mit der Hoffnung auf einen Gehaltssprung verbunden. Haben Sie Tipps zur Verhandlung?

Auch da gibt es Spielregeln. Vor allem sollte man wissen, was marktüblich ist und sich vorher eine Spanne zurechtlegen. Sinnvoll ist auch, sich Gedanken zu möglichen Gehaltsextras beziehungsweise Alternativen zu machen. Vielleicht ist einem das Dienstauto oder Dienstrad, mehr Urlaubstage, Fortbildungen oder zusätzliche Altersvorsorge ja wichtiger als ein höheres Brutto.

Angeblich will der Arbeitgeber ja das Gehalt möglichst weit nach unten drücken. Ich habe aber gerade erlebt, dass der neue Arbeitgeber einer Klientin sogar freiwillig deutlich mehr gezahlt hat, als sie jemals erwartet hätte. Auch das gibt es.

Madeleine Leitner
Karriere-Management

Die studierte Psychologin Madeleine Leitner hat zunächst als Psychotherapeutin und später als Personalberaterin in der Wirtschaft gearbeitet. Seit über 25 Jahren liegt ihr beruflicher Schwerpunkt auf Potenzialanalysen. Seit 1997 ist die 54-Jährige als selbstständige Karriereberaterin in München tätig.